Case schliessenIndietro

Was wäre, wenn »Made in China« ein Qualitätssiegel wäre, Ihre gesamte Branche durch eine digitale Plattform abgelöst würde, all Ihre Kunden einen 3D-Drucker zu Hause hätten, ein direkter Wettbewerber kostenlos anbieten würde, jeder Mitarbeiter Entrepreneur wäre und Sie vor zehn Jahren in Google-Aktien investiert hätten.

Autoren Christoph Ettlmayr, Michael Edmaier

Dem Hausverstand nach ist es kaum möglich. Dennoch ist es genau die Frage, die sich mehr als 60.000 Google- Mitarbeiter täglich stellen. Mehr noch: Es ist die Mission von Google.

Was wäre, wenn es jemand schaffte, die Informationen der Welt zu organisieren und für jeden zu jeder Zeit zugänglich und nutzbar zu machen?

Seit Google 1998 gegründet wurde, hat sich einiges verändert. So ist der Unternehmenssitz längst keine Garage mehr, und auch die Server werden nicht mehr aus Legosteinen gebaut. Um nur zwei Beispiele zu nennen. Doch eine Schlüsselkompetenz begleitet die erfolgreichste Suchmaschine der Welt seit ihren Anfängen: Innovationsfähigkeit. Anders gesagt: inwiefern ein Unternehmen Innovationen erfolgreich kreieren und realisieren kann.

Die Frage ist: Wie erhält sich Google trotz enormen Wachstums eine Organisationskultur, die eine so hohe Anzahl von Innovationen entwickelt und umsetzt?

Die vier Eckpfeiler der Google-Kultur.
In vielen Unternehmen herrscht eine Kultur der Angst vor Fehlern, die Kreativität und neue Ideen hemmt. Google hingegen gelingt es dank dieser vier Eckpfeiler, eine hochgradig innovative Kultur aufrechtzuerhalten – ja fast schon den Drive eines Start-ups. Googles Kultur beeinflusst die Psychologie. Sie gibt den Mitarbeitern die Sicherheit, zu experimentieren, Neues zu wagen, Risiken einzugehen und Fehler machen zu dürfen. Anstatt dem Mitarbeiter Ziele und Wege vorzugeben, wird ihm Verantwortung für den Innovationsprozess übertragen. »Wir führen nicht mit Antworten, sondern inspirieren mit Fragen«, sagt Frederick Pferdt, Chief Innovation Evangelist bei Google Inc. und Innovationsberater der UN.

Um innerhalb des Unternehmens für Transparenz zu sorgen, finden jeden Freitag TGIF(Thank God It’s Friday)-Meetings statt. Das obere Management (vertreten auch durch die Gründer Larry Page und Sergey Brin) spricht dabei offen über die Geschehnisse, Probleme und auch Fehler der Woche. Dazu gehören auch Themen, die andernfalls nie an die Öffentlichkeit gelangen würden. Zudem können Fragen an das Topmanagement gestellt oder Feedbacks gegeben werden – vom Angebot in der Cafeteria bis hin zu Marktstrategien.

»Unsere Umgebung beeinflusst unser Verhalten«, sagt Pferdt. »Wenn du der Kreativität Raum geben und wilde Ideen, Moonshot Thinking, ermöglichen willst, dann musst du genau diese Umgebung schaffen.« Dementsprechend ungewöhnlich ist das Arbeitsumfeld bei Google. So gibt es an einigen Standorten »Bring Your Child to Work Days«, um von Kindern und Teenagern und deren Zukunftsvisionen zu lernen. Google fördert kindliche Denkweisen sowie spielerisches Verhalten, um neue Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln. Rutschen, Tischtennisplatten oder Rückzugsorte für Power Naps sind nur einige Elemente, die eingesetzt werden. Google verfügt auch über sogenannte Garages. Das sind offene Räume mit einer Vielzahl von Tools und Materialien zum Experimentieren und Lernen. Zahlreiche Lounges bieten Raum für Dialog. Darin sieht Google die Bausteine seiner Innovationskultur und nicht in den kostenlosen Snacks, Friseuren oder Massagen, die seine Mitarbeiter ebenfalls in Anspruch nehmen können. Das berufliche Umfeld wird bei Google nicht als klassischer Arbeitsplatz gesehen, sondern als langfristige Investition in Menschen. Pferdt hat fest gestellt: »If you give people freedom they will amaze you.«

Googles Prinzipien der Innovation.
Wie unterschiedlich Innovationen bei Google auch angegangen werden, hinter dem Prozess stehen stets fundamentale Prinzipien. Die Kernelemente dabei sind »10 x Thinking« und schnelles Prototyping.

10 x Thinking
Zehn Prozent mehr heißt Verbesserung. Zehnmal besser hingegen bedeutet radikale Innovation. Bei Google wird groß gedacht. Nicht, weil es einfacher ist, sondern weil es herausfordernd ist. Deswegen heißen Projekte auch »Moonshots«. Hier kommt wieder »Was wäre, wenn …?« ins Spiel. Das Mögliche wird infrage gestellt, dem Unmöglichen mit einer gesunden Missachtung begegnet. Befreit von Routinen, wird Kreativität freigesetzt und und somit die Basis für eine Vielzahl neuer Ideen geschaffen.

Die beste Idee ist immer, mehrere Ideen zu haben. Und das Ziel ist nicht die sofortige Entwicklung von Problemlösungen, sondern vielmehr die Eröffnung von Handlungsräumen.

Schnelles Prototyping
In Organisationen mit traditioneller Sichtweise enden Workshops oder Besprechungen meist mit einer Bewertung der gesammelten Ideen und einer Terminvereinbarung für das nächste Meeting.

Bei Google hingegen wird sofort auf einer Idee aufgebaut und diese verbessert, anstatt sie zu bewerten oder gar abzuschmettern. »Im Optimismus steckt die gesunde Missachtung des Unmöglichen«, weiß Pferdt. Was Google zu einer umsetzungsstarken Organisation macht, ist der rasche Einstieg ins Prototyping, um eine Idee physisch zu manifestieren. »Make it and fake it«, so Pferdt. Mit anderen Worten: Gefordert sind schnelle, einfache und günstige Entwürfe. Getroffene Annahmen werden einfach getestet und aufkommende Fragen beantwortet. Das Eisen muss geschmiedet werden, solange es heiß ist.

Just beyond crazy is fabulous.

Google – ein Management-Konzept?
Das Beispiel Google zeigt, dass durch eine moderne Kultur Innovationsbarrieren eliminiert werden können. Für eine effektive und effiziente Umsetzung von Innovationen braucht es dann nur noch eine Unternehmensstruktur mit flachen Hierarchien, kurzen Berichtswegen, einen lockeren Führungsstil, interne Kommunikation, ein ansprechendes Arbeitsklima, kulturelle Werte und Normen sowie eine ausgeprägte unternehmerische Risikokultur. Deshalb ist Google mehr als eine Suchmaschine, nämlich fast schon ein Management-Konzept für kontinuierliche Innovation in einer sich rasant verändernden Welt.

Was zur entscheidenden Frage führt: Was wäre, wenn Innovationen in Ihrem Unternehmen auch aus der Kultur heraus entstünden?