Der 1819 in Österreich gegründete Ziegelhersteller Wienerberger ist heute einer der international führenden Baustoffkonzerne. Die Erfolgsgeschichte ist spannend und abwechslungsreich: In den Jahren rund um die Jahrtausendwende schwimmt Wienerberger auf einer enormen Welle des Erfolgs. Doch die Wachstumsmaschinerie gerät ins Stottern, als die Wirtschaftskrise Wienerberger 2008/2009 mit voller Kraft trifft. Nach erfolgreicher Sanierung stellt sich im Jahr 2010 dann die Frage: Wie soll die Zukunft von Wienerberger aussehen? Wofür soll das Unternehmen stehen? Die Antwort legt den Grundstein des heutigen Erfolgs: Der Marktführer wächst nachhaltig und profitabel.

 

EIN JAHRHUNDERT GEPRÄGT VON DYNAMISCHEN WACHSTUM
1819 in Wien gegründet, steht Wienerberger seit Generationen für Qualitätsziegel. Eine für die Marke attraktive und wettbewerbs­fähige Position, die stetiges Wachstum sichert: Ziegel ist in vielen Ländern und Kulturen ein seit Generationen bewährter Baustoff für das private Wohnheim. Der Großteil der Häuslbauer setzt auf Ziegel und somit meist automatisch auch auf den Marktführer Wienerberger.
Die Marke wächst verlässlich, und in den 90er-Jahren schießt der Umsatz weiter nach oben: Der Bauboom kurbelt das Geschäft an, die Ost-Öffnung bietet Zugang zu neuen Märkten, Greenfield-Projekte und erfolgreiche Übernahmen sorgen für Wachstum – das Unternehmen floriert.

 

DIE WIRTSCHAFTSKRISE SCHLÄGT ZU
Die Wirtschaftskrise im Jahr 2008 trifft Wienerberger heftig. Die starke Abhängigkeit vom Baustoff Ziegel macht das Unternehmen zugleich in hohem Maße von makroökonimischen Faktoren abhängig. Ist die wirtschaftliche Situation schlecht, bricht der Neubau von Eigenheimen ein – und damit der Umsatz von Wienerberger. Zudem verliert der Ziegel seit den 90er-Jahren im Vergleich zu anderen Baustoffen nach und nach an Bedeutung. Alternative Materialien sind auf dem Vormarsch, und dem Naturprodukt Ziegel haftet das Image eines traditionellen, konservativen Baustoffs an. Für Individualität suchende private Bauherren steht zunehmend die Architektur bzw. der erlebte Wohnraum im Vordergrund und nicht mehr der Baustoff selbst.

AUS EIGENER KRAFT WACHSEN
Durch stringentes Management, geprägt von Restrukturierungen und Kostensenkungsprogrammen, gelingt es Wienerberger, sich in den Krisenjahren erfolgreich zu restrukturieren. Finanziell abgesichert, steht Wienerberger 2010 vor essenziellen Fragen:

  • Wie muss das Kerngeschäft für die Zukunft definiert werden, um den Unternehmenserfolg nachhaltig sicherzustellen?
  • Worin muss Wienerberger sich von den Hauptwettbewerbern unterscheiden, um seine Kunden nachhaltig zu überzeugen?
  • Wie können bestehende Stärken und Kernkompetenzen besser ausgespielt werden?
  • Wie können am Markt verlässlich wertgerechte Preise durchgesetzt werden?
  • Mit welcher Logik kann Wienerberger systematisch profitables Wachstum sicherstellen und weiter vorantreiben?

Auf der internationalen Management-Tagung 2010 erklärt die ­Führungsspitze die Ausarbeitung eines klaren Zukunftsbildes für Wienerberger zur Priorität. Es gilt, die Marke neu zu positionieren, mit dem Ziel, Wienerberger unabhängiger von Marktdynamiken und dem Kernprodukt Ziegel zu machen. Neue Geschäftsfelder sollen zur Risikodiversifizierung dienen und Wachstumspotenzial eröffnen.

 

EIN GEMEINSAMES BILD VON DER ZUKUNFT
Dem Vorstand ist die Dimension der Aufgabe bewusst: eine neue Positionierung wird Folgen für die gesamte Organisation haben. Er beschließt, die Fragen zur Zukunft der Marke daher nicht nur im obersten Führungskreis zu diskutieren. Neben nüchternen Analysen und faktenbezogenen Erkenntnissen soll die Organisa­tion bereits bei der Entwicklung des Zukunftsbildes durch einen bereichsübergreifenden Dialog in den Denkprozess eingebunden werden und so das Unternehmen entscheidend voranbringen.


Es gibt viele Fragen, denen wir uns als
Unternehmen in voller Verantwortung stellen müssen.
Nach den richtigen Antworten werden wir suchen,
und zwar in einem gemeinsamen Prozess

(Heimo Scheuch, 2011)

Gemeinsam mit dem Institute of Brand Logic startet Wienerberger im Januar 2011 einen umfassenden Unternehmensentwicklungsprozess. Erklärte Ziele für den Prozess sind:

  1. ein spezifisches und differenziertes Positionierungsprofil von Wienerberger zu erarbeiten,
  2. ein gemeinsames Vorstellungsbild von der zukünftigen Ausrichtung von Wienerberger bei Mitarbeitern und Führungskräften zu etablieren und
  3. die Ergebnisse aus dieser Arbeit unternehmensweit mit aller Konsequenz umzusetzen.

Für die erste Phase, in der die Entwicklung des Unternehmens­profils im Mittelpunkt steht, wird ein Team aus 60 Personen aus verschiedenen Ländern, Bereichen und Funktionen der Organisation zusammengestellt. Grundlegende Fragen werden intensiv diskutiert und von unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet. Durch fundierte Analysen und Dialoge wird das Projektteam rund um den Vorstand Stück für Stück befähigt, die richtigen Entscheidungen zu treffen und die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft zu stellen. Erstes Teilergebnis des Prozesses ist das neu formulierte Markenprofil. Durch die konsequente Einbindung aller Bereiche bei seiner Entwicklung genießt es von Anfang an breite Zustimmung. Im Zentrum des Markenprofils steht der Anspruch, durch innovative, hochwertige und anwenderorientierte Systemlösungen einen klaren Mehrwert für Kunden zu schaffen. Umfassende Beratungs- und Serviceleistungen, die schon bei der Planung von Projekten ansetzen, sind wesentlicher Bestandteil der Neuausrichtung. Für Wienerberger heißt es: weg vom Baustoff als Commodity – hin zu Baustofflösungen mit klarem Nutzen für alle relevanten Stakeholder.
Der erste Schritt ist getan: das Bild über die eigene Zukunft ist klar. Nun gilt es, die ambitionierte Positionierung kraftvoll zu realisieren.

 

DIE MARKE IM ZENTRUM DER UNTERNEHMENSENTWICKLUNG
Sorgfältig werden die Kernthemen für die erfolgreiche Realisierung des Markenprofils identifiziert und in klar definierten Projektaufträgen an Arbeitsgruppen übergeben. Eine Steuerungsgruppe gibt (Teil-)Ergebnisse frei und sorgt für die nötige Transparenz und den übergreifenden Austausch im Gesamtprozess. Die Kommunikation und die Markenarchitektur werden vom Institute of Brand Logic überarbeitet – logisch aus dem Markenprofil heraus abgeleitet. Den Business Units der Wienerberger AG mit ihren eigenen Leistungsmarken (Wienerberger, Pipelife, Semmelrock und General Shale) wird rasch Eigenverantwortung für die Übersetzung und Implementierung des Gruppenprofils auf ihrer Ebene übertragen. Auch hier sollen die Kompetenz und Energie aller Mitarbeiter den erfolgreichen Wandel beschleunigen. Das Bild von der Zukunft wird Stück für Stück Realität.
Heute ist der Erfolg der Marke in der Verantwortung des gesamten Unternehmens. Neben dem Vorstand achtet eine Success Profile Managerin auf die laufende Weiterentwicklung des Unternehmens im Sinne der Marke.

 

EINE STARKE MARKE AUF ERFOLGSKURS
Der Umsetzungserfolg wird für die internationale Management-Tagung 2015 umfassend evaluiert. Das Ergebnis zeigt, dass das Success Profile breit im Unternehmen verankert und bereits an vielen Kontaktpunkten kraftvoll realisiert ist. Dies gilt sowohl auf Gruppenebene als auch für die einzelnen Business Units. Für die weitere erfolgreiche Implementierung werden Aktivitäten abgelei­tet und deren Umsetzung initiiert. Vor dem Hintergrund, dass rund vier von fünf Change-Projekten scheitern, wie zahlreiche internationale Studien belegen, ist das ein beindruckendes Resultat. Bei Wienerberger gelten die frühzeitige Einbindung der Mitarbeiter bereits in der Entwicklung und das klare Bekenntnis der Führungs­ebene zum Prozess als entscheidende Faktoren dieses Erfolgs.

Auch am Markt zeigt das Programm Wirkung: Die Wienerberger AG kann im ersten Quartal 2015 ein Umsatzplus von 5 % auf 613 Mio. € sowie eine deutliche Steigerung des operativen EBITDA um 21 % auf 34 Mio. € gegenüber der Vergleichsperiode des Vorjahres erzielen.
Klar definiertes Ziel von Wienerberger ist es, durch Kundennähe und Innovationskraft in allen Märkten die führende Position zu halten bzw. weiter auszubauen. Wienerberger soll schneller wachsen als der Markt. Das Markenprofil sorgt dabei für ein klares Zukunftsbild und eint das Unternehmen in seinen Bestrebungen. Zur Fortsetzung der Erfolgsgeschichte baut Wienerberger weiter auf seine Marke.

 

Zu den Autoren
Martina Mertzbach (martina.mertzbach@brand-logic.com) und Christoph Ettlmayr (christoph.ettlmayr@brand-logic.com) staunten bei der Arbeit für Wienerberger nicht nur über
die Dimensionen des Geschäfts (aus Wienerberger Produkten wurden 2014 143.000 Häuser erbaut, 242.000 Dächer gedeckt und 470.000 km Rohre verlegt), sondern auch über die Geschäftsberichte: so augenzwinkernd-charmant wie Wienerberger berichtet kaum ein Konzern über Zahlen.