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Interview mit Andrea del Frari – Direktor vom Skirama Kronplatz – Leistungsinnovationen am Kronplatz

Kronplatz, Januar 2020

PK: Welche innovativen Initiativen wurden am Kronplatz in den letzten Jahren rund um das Skierlebnis gesetzt, was sind hier die Highlights?

ADF: Das erste Highlight war die Errichtung der Friedensglocke Concordia am Gipfel des Kronplatz 2003. Es war damals nicht geplant, dass das so einen Kultureffekt auslösen würde. Die Glocke war die erste Investition der Bergbahnen außerhalb des klassischen Tätigkeitsfelds von Seilbahn- bzw. Pisteninfrastruktur. 2015 haben wir mit dem Messner Mountain Museum (MMM Corones), vor allem auch um den Sommer aufzuwerten, ein Museum mit Reinhold Messner und der Architektur von Zaha Hadid am Berg errichtet.

Dies hat einen echten Wow-Effekt ausgelöst. Und dann ging es in der Wintersaison 2018/2019 weiter mit dem zweiten Museum, dem Lumen - Museum of Mountain Photography.

Kombiniert mit dem Restaurant AlpInn und im nächsten Winter mit der architektonischen Neugestaltung der Gondelbahn Olang 1+2 ergibt sich ein spannendes Zusatzangebot für den Skigast im Winter aber vor allem auch für den Sommergast. Auch bei dem Seilbahnneubau der Gondelbahn Olang 1+2 haben wir uns mit Cornelius Schlotthauer (ehem. Senior Associate bei Zaha Hadid Architects) für einen wirklich herausragenden Architekten entschieden.

Die inhaltliche Klammer bei allen Initiativen ist bei uns am Kornplatz das Thema Architektur in Verbindung mit Kunst und Kultur. Zusammenfassend kann man sagen, dass das Messner Mountain Museum der Anstoß für intensive Investitionen in das Gesamterlebnis für den Gast am Berg war.

PK: Und das hat wirklich die Bergbahngesellschaft eigenständig umgesetzt, oder inwieweit waren da auch die anderen Akteure der Region involviert?

ADF: Diese Initiativen haben die Bergbahnen komplett eigenständig umgesetzt. Jetzt wo man sieht welche Erfolgsinvestition zum Beispiel das MMM Corones ist und wie es die Besucherzahlen im Sommer gesteigert hat und auch auf kommunikativer Ebene für mediale Aufmerksamkeit gesorgt hat, kann man schon sagen, dass alle Akteure dahinterstehen. Zu Beginn und während der Bauphase haben natürlich viele gesagt, jetzt spinnen sie wieder am Kronplatz, aber wir haben gezeigt, dass sich solche Investitionen durchaus lohnen.

„Es handelt sich eben nicht nur um qualitative Erweiterungen, sondern es wurden mitunter echte Wow-Momente geschaffen.“

PK: Sprich die anderen sind dann im Anschluss auf den Zug mit aufgesprungen, aber investiert hat zu 100 Prozent die Seilbahn.

ADF: Ausschließlich die Seilbahnen haben beim MMM Corones investiert, ganz genau, auch ohne Beteiligung der öffentlichen Hand. Beim Lumen Museum of Mountain Photography steht eine Stiftung dahinter und in weiterer Folge können hier natürlich auch Gelder aus öffentlicher Hand fließen. Beim MMM Corones waren zu 100% die Seilbahnen verantwortlich. Genauso wie jetzt bei dem neuen Seilbahnprojekt Olang 1+2. Bei diesen Investitionen handelt es sich um Initiativen, die den Anstoß zu weiteren Entwicklungen in der Region geben. Auch viele Hoteliers sehen jetzt, dass diese Initiativen einen echten Mehrwert für ihre Gäste schaffen. Zusätzlich haben viele Hoteliers in den letzten Jahren Hotelprojekte und Zusatzangebote umgesetzt, die einen Wow-Effekt hervorrufen – vielleicht nicht zuletzt angespornt durch unsere Initiativen am Berg. Beispielsweise das Hotel Hubertus in Olang hat einen Infinity-Skypool in 20 Metern Höhe realisiert.

Und hier sieht man, dass diese Dinge nun natürlich nicht von der Seilbahn gestartet wurden, aber die Seilbahn-Initiativen zur Aufbruchsstimmung in der Region beitragen. Es handelt sich eben nicht nur um qualitative Erweiterungen, sondern es wurden mitunter echte Wow-Momente geschaffen.

PK: Wenn wir nochmal auf das Setzen von Initiativen zurückkommen. Welche Erfahrungen hast du hier gesammelt und worauf gilt es, deiner Erfahrung nach, bei der Erschaffung solcher Wow-Momente zu achten? Was ist ganz zentral dabei?

ADF: Also ganz zentral bei der Entwicklung echter Angebotshighlights ist, vor allem auch wenn man sie ganzjährig nutzen möchte, dass man starke Namen dahinter hat. Dass man nicht nur etwas Schönes macht, sondern auch eine prominente Marke dahintersteht. Ganz klar sieht man das am MMM Corones wo man mit Reinhold Messner einen der bekanntesten Alpinisten und mit Zaha Hadid eine der renommiertesten internationalen Star-Architektinnen gewonnen hat. Diese Mischung hat es natürlich ausgemacht. Man hat auch gelernt, von diesen Museumsprojekten, dass der Wintergast nicht so affin ist für Angebote neben dem Skifahren. Man spricht gern davon, ja, aber der Gast ist einfach nicht so offen. Der Wintergast zahlt viel Geld für den Skipass und möchte daher das Kernprodukt Skifahren nutzen. Alles was außerhalb dieses Kernprodukts geschaffen wird, das wird nicht unbedingt gesucht und ist auch nicht buchungsentscheidend. Davon bin ich überzeugt. Wenn der Gast Zeit hat, nimmt er diese Angebote mit, sie stehen aber nicht im Mittelpunkt.

PK: Wenn eine Destination also eine Leistungsinnovation am Berg aufbaut, dann muss diese insbesondere im Sommer funktionieren und im Winter vor allem als Zusatzangebot dienen?

ADF: Ganz genau. Oder ich mache die Leistungsinnovation im Winter in Verbindung mit dem Kernprodukt. Die neue Kabinenbahn Olang 1+2 mit hochmoderner Architektur der Stationen, die wir nächsten Winter eröffnen, macht Sinn, weil es eben direkt mit dem Kernprodukt Skifahren verbunden ist. Dann wird’s auch mitgenommen und genossen, angeschaut und vom Gast auch akzeptiert und gesehen. Dann bringt es natürlich schon diesen Mehrwert. Wenn ich das Angebot nicht mit meinem Kerngeschäft verbinde, dann wird es schwierig.

Im Sommer geht es natürlich noch viel stärker um das Erlebnis am Berg. Beim Messner Mountain Museum war es das Ziel ein Angebot für den Sommer zu schaffen, das wir nun natürlich im Winter mitnehmen.

PK: Inwieweit betten sich diese Leistungsinnovationen in die übergeordnete Positionierung des Kronplatz ein?

ADF: Relativ wenig. Normalerweise müsste man sagen, es ist alles geplant. In Wahrheit muss ich sagen, dass vieles einfach gemacht wurde. Wir haben verschiedene Bergbahngesellschaften und die unterschiedlichen Investitionen werden immer von der jeweiligen Gesellschaft realisiert, zumeist relativ wenig untereinander koordiniert. Hier könnte man mit Sicherheit wesentlich mehr Synergien schaffen, wenn man diese Investitionen besser und mehr untereinander absprechen und koordinieren würde. Das haben wir bis jetzt noch nicht getan, aber man muss auch sagen, der Kronplatz ist ein Erfolgsmodell, es läuft gut, die Mittel sind da und irgendwie leistet man sich dann einfach gewisse Streuverluste. In mittlerweile fünfzig Jahren touristischer Entwicklung am Kronplatz wissen die Leute bis zu einem gewissen Punkt auch einfach gefühlsmäßig was gut ist und was nicht. Und deshalb sind die getätigten Investitionen auch zumeist sehr erfolgreich. Man weiß wo die Trends liegen.

PK: Wie man es ja jetzt bei den Initiativen sieht… auch wenn diese von unterschiedlichen Gesellschaften gemacht werden, tragen alle zum Erfolg der Destination bei.

ADF: Ja definitiv. Jede Bergbahngesellschaft schaut natürlich primär auf das eigene Wohl, aber unterm Strich sieht man, dass der Mehrwert für die gesamte Destination steigt. Das ist es, was zum Schluss zählt und zum Glück sind bei uns am Kronplatz die Kirchtürme nicht ganz so hoch und auch deshalb arbeiten wir schon sehr erfolgreich. Und wie gesagt, wenn man sieht, was eine Bergbahngesellschaft macht, das stimuliert natürlich wieder die nächste Gesellschaft und auch Hoteliers, sich Gedanken zu machen, was man selbst wieder besser machen könnte und so steigt die Innovation und die Angebotsqualität in der gesamten Destination. Wir sind ja positioniert für den alpinen, aktiven Skifahrer und deshalb passen die gesetzten Initiativen in Summe gut dazu. Selbstverständlich gibt es Streuverluste, aber die können wir uns bis jetzt einfach noch leisten.

PK: Abschließend nochmal zusammengefasst, was sind aus deiner Sicht die zentralen Erfolgsfaktoren, im Winter und im Sommer, damit Leistungsinnovation erfolgreich funktioniert?

ADF: Also zentral ist mit Sicherheit, dass die Leistungsinnovation authentisch ist und vor allem auch von der einheimischen Bevölkerung mitgetragen wird. Denn Dreh- und Angelpunkt sind einfach die Einheimischen. Sie sind ganz, ganz wichtige Influencer. Der einheimische Vermieter muss seinen Gast überzeugen, er muss eine gewisse Erwartungshaltung beim Gast hervorrufen, vor allem in seiner Kommunikation. Wenn wir es am Berg dann schaffen dieser Erwartungshaltung gerecht zu werden bzw. - noch besser - sie zu übertreffen, dann sind wir erfolgreich. Jedes Skigebiet sieht das auch bei den kleinsten Veranstaltungen. Wenn wir Veranstaltungen am Berg machen und diese werden nicht an der Hotelrezeption oder beim Abendessen kommuniziert und verkauft, dann funktionieren sie nicht. Erst wenn man die einheimische Bevölkerung und die Hoteliers hinter sich hat, dann funktionieren die Initiativen.

„Sobald der erfolgreiche Startschuss gemacht wurde, dann sieht man, dass die Initiativen - auch wenn sie einmal vermeintlich etwas aus dem Raster fallen - wie bei den Themen Kultur, Museen etc. – vom Gast angenommen werden.“

PK: Wie habt ihr diese aktive Integration der Einheimischen bisher gewährleistet?

 ADF: Wir haben das bisher gar nicht zentral gesteuert. Wir haben versucht es zu steuern bei gewissen Veranstaltungen zum Beispiel durch proaktive Kommunikation mit den Hoteliers. Es ist natürlich auch wichtig, dass man insgesamt am touristischen Geschehen in der Region teilhat und dass man sich nicht verschließt und sagt, nein ich bin für die Bergbahn verantwortlich und alles andere interessiert mich nicht. Man fühlt sich auch für die Destination verantwortlich und arbeitet mit der Destination zusammen. Man zeigt durch diese Leistungsinnovation und natürlich auch durch Auszeichnungen (z.B. Best Ski Resort), dass man auf dem richtigen Weg ist. Wenn wir unser Kerngeschäft am Berg erfolgreich betreiben und darüber hinaus spannende Innovationen realisieren, dann wird das auch von der einheimischen Bevölkerung honoriert. Bevor wir das MMM Corones hatten, haben die Hoteliers am Kronplatz zu ihren Gästen im Sommer immer gesagt: „Mach was du willst, aber geh auf keinen Fall auf den Kronplatz.“ Jetzt sagen sie: „Mach was du willst in der Region, aber geh auf jeden Fall einen Tag auf den Kronplatz. Wenn die Qualität dahinter stimmt, dann stimmt auch die touristische Gesinnung unsere Einheimische und sie werden zu Botschaftern. Wir haben 25.000 Gästebetten. Hier müssen wir Hand anlegen. Wenn wir diese Betriebe positiv beeinflussen, dann bringt das am Ende den Erfolg beim Gast. Ich bin überzeugt, dass heutzutage, wenn man auch von Kommunikation und Marketing spricht, das was die Seilbahngesellschaft macht, insgesamt gesehen ja nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Den Großteil macht die Summe der einzelnen kleinen Marketingaktionen unserer Betriebe in der Region aus. Gerade auch die kleinen Beherbergungsbetriebe, die kein großes Marketingbudget haben, aber enge persönliche Kundenbindung betreiben. Und wenn das Zusatzangebot stimmt, dann ist die Hotellerie zufrieden und dann wird das Angebot auch empfohlen und kann somit auch weiterwachsen. Dadurch wird dann auch die Leistungsinnovation akzeptiert.

„Also zentral ist mit Sicherheit, dass die Leistungsinnovation authentisch ist und vor allem auch von der einheimischen Bevölkerung mitgetragen wird.“

PK: Das ist dann wahrscheinlich auch eine Legitimation in diese Richtung weiterzuarbeiten, oder?

ADF: Ganz genau. Weil wenn der erfolgreiche Startschuss gemacht wurde, dann sieht man, dass die Initiativen - auch wenn sie einmal vermeintlich etwas aus dem Raster fallen - wie bei den Themen Kultur, Museen etc. – vom Gast angenommen werden. Und dann hat man schon einen automatischen Vertrauensvorschuss. Und deshalb ist es aus meiner Sicht auch so zentral, dass die Einheimischen dahinterstehen und somit das Produkt nicht nur innovativ, sondern vor allem auch authentisch sein kann. Wenn das Produkt nicht authentisch ist, dann kann ich machen was ich will, dann wird es nicht funktionieren oder in jedem Fall nicht so erfolgreich wie bei einem authentischen Produkt, wo die Einheimischen voll dahinterstehen.

Andrea del Frari ist seit Oktober 2009 Direktor von Skirama Kronplatz, dem Verbund der drei dortigen Bergbahnen.