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Schluss mit Employer Branding

Autoren: Markus Webhofer, Philipp Kazianka, Christian Oberleiter, Stefanie Cimino, Luca Dönz, Institute of Brand Logic - August 2022

 

Im österreichischen Tourismus waren Anfang Juni 2022 knapp 21.000 offene Stellen gemeldet. Damit ist etwa jede zehnte Stelle der rund 208.000 Arbeitsplätze im Tourismus unbesetzt. Das sind wiederum um 81,4 Prozent mehr als im Juni 20191. Auch in der Schweiz verzeichnete man einen starken Anstieg an unbesetzten Stellen in Beherbergung und Gastronomie2. Ein ähnlich dramatisches Bild zeigt sich in Deutschland und Italien3.

Die Politik versucht mittels kurzfristiger Maßnahmen - z.B. Aufstockung des Kontingents von Mitarbeiter:innen aus Drittstaaten - gegenzusteuern. Die touristischen Betriebe setzen verzweifelt auf Employer Branding-Aktivitäten und bedienen sich verschiedener Recruiting-Maßnahmen (z.B. Personalvermittler, Online-Plattformen). Wie jedoch die meisten Betriebe schmerzhaft erfahren haben, sind diese Maßnahmen völlig ineffektiv und wirkungslos. Employer Branding, das von diversen Marketingagenturen als Allheilmittel angepriesen wird, endet letztlich in belangloser Recruiting-Kommunikation. Damit kann diese Herausforderung bestimmt nicht gelöst werden.

Laut einer vom Institute of Brand Logic im Winter 2021/22 durchgeführten Mitarbeiterbefragung in einer führenden österreichischen Destination, findet der Großteil der Mitarbeiter:innen über persönliche Empfehlungen den Weg zum jeweiligen Arbeitgeber. Klassische Vertriebskanäle wie Jobanzeigen, Jobmessen und selbst Online-Job-Plattformen machen im Verhältnis nur einen verschwindend kleinen Anteil am Recruiting-Erfolg aus.

Destinationen und touristische Unternehmen benötigen künftig ganzheitliche Strategien für den Arbeitnehmermarkt. Um als Destination am Markt der potenziellen Arbeitnehmer:innen zu überzeugen, sind gezielte, hochrelevante Leistungen für Mitarbeiter:innen gefragt, die weit über Recruiting-Kommunikation hinausgehen.

In diesem Sinne ist es ratsam, die Arbeits- und Lebensbedingungen für Mitarbeiter:innen in der Destination substanziell zu verbessern. Dabei ist jeder Betrieb für sich – aber auch die Tourismusdestination als Ganzes – gefordert, entsprechende attraktive Rahmenbedingungen zu schaffen.

Genauso wie für Gäste ist auch für die Mitarbeiter:innen das Image des Betriebes bzw. der Destination ein wesentliches Entscheidungskriterium. Dabei sind die persönlich gemachten Erfahrungen in einer Destination sowie die Bewertungen und Feedbacks anderer Mitarbeiter:innen von enormer Bedeutung. Die Qualität des unmittelbaren Arbeitgebers ist dabei genauso wesentlich wie das Angebot der gesamten Destination. Wenn eine Destination die richtigen Mitarbeiter:innen gewinnen, binden und halten möchte, ist sie gut beraten, die Lebens- und Arbeitsbedingungen einzigartig und attraktiv zu gestalten. Folgende Fragen sollen das Spektrum möglicher Themen beleuchten: Wie attraktiv sind die Arbeitgeber vor Ort? Wie werden Mitarbeiter:innen geführt? Wie attraktiv sind Arbeitszeiten und Bezahlung geregelt? Welche Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten bietet die Destination? Wie ist die Wohnqualität vor Ort? Wie gut werden neue Mitarbeiter:innen in die Crew bestehender Mitarbeiter:innen integriert? Wie gut werden Mitarbeiter:innen in das soziale Ortsgefüge integriert? Wie schnell können sich Mitarbeiter:innen vernetzen? Gibt es langfristige Wohnmöglichkeiten für die ganze Familie? Gibt es Betreuungsmöglichkeiten für Kinder während der Arbeitszeit? Welche Freizeitangebote hat die Destination für Mitarbeiter:innen? Wie zugänglich und leistbar sind diese Freizeitangebote für Mitarbeiter:innen?

 

 

FOLGENDE DREI ELEMENTE SIND FÜR DIE MITARBEITERZUFRIEDENHEIT BESONDERS RELEVANT:

  1. Guter Ruf und hohe Qualität des Arbeitgebers
  2. Attraktive, langfristige Wohn- und Lebensperspektiven
  3. Einzigartige, markenspezifische und leistbare Freizeiterlebnisse

 

1. GUTER RUF UND HOHE QUALITÄT DES ARBEITGEBERS

Immer mehr Mitarbeiter:innen wünschen sich ganzjährige, stabile Beschäftigungsverhältnisse. Eine Alternative kann hier für alpine Regionen mit starker Wintersaison die Kooperation mit Betrieben in klassischen Sommerdestinationen sein. Mittel- bis langfristig ist es aber entscheidend, möglichst ganzjährige Beschäftigung an einem Ort zu ermöglichen.

Zum guten Ruf und der hohen Qualität des Arbeitgebers zählen auch flexible Arbeitszeitmodelle (Teilzeit, Vier-Tage-Woche, etc.). Diese gelten als Grundvoraussetzung, dass Mitarbeiter:innen die Vorzüge der Destination überhaupt genießen können.

Exzellente Aus- und Weiterbildungsprogramme sind ein weiteres zentrales Qualitätsmerkmal. Zum einen sind das Programme zur Sicherung eines Basisstandards wie Sprach- und Fachkurse. Abheben kann sich ein Betrieb – wie die gesamte Destination – aber nur mit herausragenden Kursen und Trainings von absoluten Koryphäen ihres Fachs – sei es in den Bereichen Küche, Bar oder Service. Hier macht es Sinn, destinationsweite Angebote zu schnüren, um attraktive Trainings betriebsübergreifend anzubieten.

Alle gut gemeinten Maßnahmen zur Aufwertung des Arbeitsplatzes nützen aber nichts, wenn nicht auch die Entlohnung entsprechend attraktiv und marktgerecht ist. In den letzten Jahren sind viele Mitarbeiter:innen in andere, besser bezahlte Branchen umgestiegen. Zurückgewinnen wird man diese unter anderem auch – aber natürlich nicht nur – mit höheren Löhnen.

2. ATTRAKTIVE, LANGFRISTIGE WOHN- UND LEBENSPERSPEKTIVEN

Zuletzt haben bereits viele Betriebe ihre Mitarbeiterunterkünfte auf Vordermann gebracht. Diese Unterbringungsmöglichkeiten sind insbesondere für Saisonmitarbeiter:innen relevant. Immer wichtiger werden aber – wie schon angesprochen – langfristige, ganzjährige Beschäftigungsmöglichkeiten. Diese Ganzjahres-Mitarbeiter:innen haben gänzlich andere Ansprüche an eine attraktive Unterkunft. Hier geht es auch um die aktive Einbindung in das soziale Leben der jeweiligen Region. Anzudenken wäre ein destinationsweiter Mitarbeitercampus, welcher alle Aspekte des sozialen Zusammenlebens berücksichtigt. Hier kann Anleihe an großen Technologiekonzernen genommen werden, die ihren Mitarbeiter:innen attraktive, leistbare Wohnungen, Kindergärten, Schulen, Fitnessstudios, Bars, Restaurants, Shops und vieles mehr bieten. Wichtig ist aber vor allem die Einbindung in das bestehende, aktive Dorfleben, um einer möglichen Gettoisierung des Mitarbeitercampus vorzubeugen.

3. EINZIGARTIGE, EINFACH ZUGÄNGLICHE FREIZEITERLEBNISSE

Das Freizeitangebot der Destination muss für Mitarbeiter:innen einfach konsumier- und erlebbar werden. Das stärkt die soziale Integration, das Wohlempfinden und die Gesundheit sowie die geistige und körperliche Fitness. Das können bspw. sportliche, kulturelle oder soziale Aktivitäten vor Ort sein – der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Entscheidend ist die leistbare Zugänglichkeit der Freizeitaktivitäten. Alle Sportaktivitäten sollten ohnehin kostenlos zur Verfügung stehen! Begeisterte Mitarbeiter:innen sind die besten Markenbotschafter:innen für die Gäste der Destination.

FAZIT

Sind diese drei Elemente mit attraktiven, herausragenden Leistungen hinterlegt, werden sich Mitarbeiter:innen schlussendlich wohl und wertgeschätzt fühlen. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit einer langfristigen Weiterbeschäftigung massiv.

Destinationen sind gut beraten, den Fokus auf die Entwicklung einer ganzheitlichen und nachhaltigen „Employer Strategy“ zu legen - mit den drei Elementen: guter Ruf und hohe Qualität des Arbeitgebers, attraktive, langfristige Wohn- und Lebensperspektiven sowie einzigartige, markenspezifische und leistbare Freizeiterlebnisse. Eine derartige Strategie ist jedenfalls weitaus erfolgsversprechender als oberflächliches und nichts sagendes „Employer Branding“ mit schönen Slogans und austauschbaren Recruiting-Maßnahmen. Letzteres wird am Arbeitsmarkt keine Wirkung erzielen.

Wenn Sie mehr darüber erfahren wollen, wie man eine nachhaltige, integrative Employer Strategy für Tourismusdestinationen entwickelt, sind Sie herzlich zu unserem Zoom-Talk „Mitarbeiterstrategien im Tourismus“ am 13.09.2022 von 16:00 bis 17:30 eingeladen.

Zum Anmeldeformular

 

 

QUELLEN
1 https://www.tt.com/artikel/30825013/personalmangel-im-tourismus-mehr-saisonierskellner-wird-mangelberuf
2 https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/aktuell/neue-veroeffentlichungen.assetdetail.22604245.html
3 https://www.ilsole24ore.com/art/turismo-servono387mila-lavoratori-ma-40percento-e-introvabileAE8XdyXB